Die wechselvolle Geschichte der alten Kornbrennerei

Eigentümer und Betreiber des Kornbrennerei-Museums ist der Heimatverein.  Foto: Heimatverein

Bericht in der WN am 03.07.2023

Die wechselvolle Geschichte der alten Kornbrennerei


Saerbeck.
 Unter der Regie des Heimatvereins entstand vor 25 Jahren aus der abrissreifen Ruine der alten Kornbrennerei ein architektonisches Schmuckstück. In einer mehrteiligen Serie stellt der Heimatverein an dieser Stelle die wechselvolle Geschichte des Brennerei-Museums und des Heimathauses von 1740 bis in die Gegenwart dar.

Die Geschichte des Gebäudes des heutigen Brennerei-Museums begann vor gut 280 Jahren. 1740 errichtete die Familie Laugermann an dem Standort an der Grevener Straße eine landwirtschaftliche Hofstelle. Zu den Gebäuden gehörten Garten- und Ackerland, Wiesen- und Wildgrund sowie Stallungen.

1811 kam der in Glandorf geborene Johann Kaspar Dallmöller nach Saerbeck. Er kaufte das Anwesen von der verwitweten Gertrud Laugermann und gründete 1812 die Kornbrennerei und Schankwirtschaft Dallmöller. In der Folgezeit bildeten sich unterschiedliche Schreibweisen des Familiennamens aus: neben „Dallmöller“ auch „Dalmöller“ und „Dahlmöller“.

Es war die napoleonische Epoche. Mit der Trikolore verbreiteten sich in Europa neue Freiheiten, die sich in entsprechenden Gesetzen niederschlugen. Dazu gehörte auch die Gewerbefreiheit.

Diese neue Freiheit wollte Johann Kaspar Dallmöller nutzen und sich in Saerbeck ein landwirtschaftliches Unternehmen mit Rindvieh- und Schweinehaltung in Kombination mit einer Brennerei aufbauen. Ein produktiver Kreislauf aus Kornbrennerei, Abfallverwertung und Viehzucht sollte dies ermöglichen.

Brennerei mit Aufzug

Brennerei-Gebäude vor der Sanierung 1994. Foto: Heimatverein

Das Getreide für die Brennerei wurde auf den Feldern angebaut. Die beim Brennprozess als Abfallprodukt anfallende, sogenannte Schlempe wurde an das Vieh verfüttert. Mit dem selbst produzierten flüssigen Kraftfutter konnten zunehmend mehr Tiere gehalten werden, die dann wieder zusätzlichen Dung erzeugten. Dieser wurde als Dünger auf weitere Flächen ausgebracht, die wiederum mehr Korn produzierten. Mehr Korn bedeutete mehr Alkohol und mehr Schlempe und damit mehr Viehfutter. Der Kreislauf begann erneut.

Mit wachsendem Wohlstand konnte Dallmöller 1833 zusätzlich das Salzmonopol für Saerbeck ersteigern und zwei seiner Töchter regelmäßig zum Schulunterricht in die Dorfschule schicken, was in der damaligen Zeit nicht selbstverständlich war.

Die wechselvolle Geschichte der alten Kornbrennerei-Baustelle

Die wechselvolle Geschichte der alten Kornbrennerei-Baustelle

Sein einziger Sohn Ferdinand Anton baute den Betrieb weiter aus. Nach seiner Übernahme errichtete er zusätzlich zum Haupthaus ein zweigeschossiges Brennerei-Gebäude, weiß geputzt, mit Satteldach und Sprossenfenstern, Ladeluken und Flaschenzug. So, wie es heute noch zu sehen ist. Der Gründer Ferdinand Kaspar erlebte diesen Ausbau noch zu Lebzeiten mit. Er starb 1885 im Alter von 96 Jahren.

Johann Kaspar Dalmöller (1789-1885), Gründer der Saerbecker Kornbrennerei. Foto Heimatverein

Johann Kaspar Dalmöller (1789-1885), Gründer der Saerbecker Kornbrennerei. Foto Heimatverein

Sein Sohn Ferdinand Anton holte sich 1882 seinen Neffen Ferdinand Niehaus in den Betrieb, um den Fortbestand der Brennerei und der Schankwirtschaft zu sichern. Dies tat er mit Weitsicht und Erfolg. Er modernisierte den Betrieb in eine sogenannte „Dampfbrennerei“. Das Herzstück war dabei ein großer Dampfkessel. Stahlrohre leiteten den dort erzeugten Wasserdampf in ein separates Brennerei-Gebäude. Dort gelangte der Dampf durch ein verzweigtes Rohrsystem dorthin, wo er für die Alkoholherstellung benötigt wurde. Zusätzlich trieb der Wasserdampf bis 1924 eine Dampfmaschine an, die über Transmissionsriemen Pumpen und Rührwerke in Bewegung setzte.

1936 wurde die Brennanlage in eine sogenannte „Verschluss-Brennerei“ umgewandelt. Dies bedeutete, dass die Brennerei den Rohbrand nicht mehr direkt selbst vermarktete, sondern zu einem vorher festgesetzten Preis an die staatliche Kornverwertungsgesellschaft ablieferte. Dafür wurden wesentliche Teile der Anlage mit Plomben und Gittern verschlossen. Der Vorteil lag in der stabilen Einkommensperspektive, da die Abnahme und der Preis des gebrannten Alkohols garantiert waren.

In den Kriegswirren 1939 bis 1945 litt auch der Betrieb der Kornbrennerei. Offizielles Brennen fand kaum noch statt. Erst 1948 konnte der reguläre Betrieb wiederaufgenommen werden.

1977 werden die Brennrechte verkauft

1966 wurde der Produktionsprozess ein weiteres Mal umgestellt. Der Feinbrand, also das veredelte Zwischenprodukt, wurde nicht mehr im eigenen Betrieb durchgeführt. Vielmehr wurde der Rohalkohol vollständig an die Deutsche Kornbranntwein Verwertungsstelle (DKV) abgegeben. Von dort wurde der Feinbrand zurückgekauft und das Endprodukt hergestellt.

Weitere Generationen der Familie setzten den Betrieb fort bis zur Betriebsaufgabe 1976/1977. Am 1. Oktober 1977 wurden die Brennrechte von Agnes Niehaus für 38.500 DM an die landwirtschaftliche Verschlussbrennerei Bernhard Northoff in Ostenfelde verkauft. Damit endete die Brennerei-Tradition der Familie Dahlmöller-Niehaus in Saerbeck.

Der Zoll legte die Anlage in Saerbeck still und machte sie für das Brennen von Alkohol unbrauchbar. Dazu gibt es eine Anekdote: Im Februar 2023 waren Vertreter des Heimatvereins vom Heimatverein Ladbergen eingeladen. Dort trafen sie kurioserweise genau denjenigen Zollbeamten, der 1977 die Brennerei in Saerbeck seinerzeit außer Betrieb gesetzt hatte und sich noch gut daran erinnern konnte.

Das Gebäude wurde in der Folgezeit vermietet und nur noch als Wohnstätte genutzt. Erhaltungsmaßnahmen fanden nicht mehr statt und so verfiel es zusehends. 1989/1990 starben die letzten drei Geschwister Änne, Agnes und Dr. Anton Niehaus. Damit endete auch die Familiengeschichte Dahlmöller-Niehaus in der Kornbrennerei.

1992 wurden die mittlerweile verfallenen Gebäude unter Denkmalschutz gestellt. Damit stellt sich die herausfordernde Frage, wie sie restauriert und künftig weiter genutzt werden könnten.